Herr Hamacher, was genau versteht man unter Parodontitis?
Die Parodontitis ist eine der häufigsten Erkrankungen des Zahnapparates und wird umgangssprachlich oft auch als Parodontose bezeichnet. Verursacht wird sie durch eine bakterielle Infektion, die unbehandelt zu Zahnverlust führen kann. Die Symptome sind anfangs eher unauffällig und entwickeln sich schleichend, weshalb die Krankheit leider oft erst spät erkannt wird. Meist wird die Parodontitis erst im Alter von 40 bis 50 Jahren diagnostiziert.
Welche Symptome treten auf?
Anfangs tritt eine Entzündung des Zahnfleischs auf, es ist gerötet und geschwollen, verbunden mit Zahnfleischbluten. Ein veränderter, etwas süßlicher und sehr spezieller Mundgeruch kann wahrgenommen werden, der ein Hinweis auf eine bakterielle Infektion sein kann.
Zusätzliche sichtbare Symptome sind Veränderungen am Zahnfleisch: Es ist rot, uneben, schlaff. Manchmal entstehen Abszesse im Zahnfleisch. Spätsymptome sind lockere Zähne oder Zahnausfall.
Was sind die Ursachen für die Entstehung einer Parodontitis?
Mangelnde Zahnpflege und ungenügende Mundhygiene sind wohl die häufigsten Ursachen, da sich so ungehindert Bakterien einnisten können. Hinzu kommen aber auch mechanische Reize, wie unpassender Zahnersatz, Kaufunktionsstörungen und andere Faktoren, die mit dem Zahnhalteapparat nicht direkt etwas zu tun haben: allgemeine Stoffwechselstörungen und -erkrankungen (z. B. Diabetes mellitus), Störungen des Immunsystems (AIDS), Stress, Rauchen, unausgewogene Ernährung, erbliche Veranlagung.
Wie kann der Zahnarzt eine Parodontitis genau diagnostizieren?
Nach eingehender Anamnese überprüfen wir das Zahnfleisch und achten besonders auf erhöhte Blutungsneigung und Plaque. Im Anschluss untersuchen wir die Zahnfleischtaschen mit einem speziellen Instrument (Florida-Probe), mit dem wir Tiefe, Verortung und Stärke der Entzündungen genau feststellen können. Der sogenannte Parodontale Screening Index (PSI) gibt Aufschluss über den Fortschritt der Erkrankung (0 = gesund bis 4 = schwere Parodontitis).
Gibt es weitere Diagnosemöglichkeiten?
Ja, zum Beispiel kann man mit einem Speicheltest die Art der Bakterien bestimmen, die sich in den Zahnfleischtaschen eingenistet haben und den Mundraum besiedeln. Eine Röntgenaufnahme hilft herauszufinden, ob der Kieferknochen entzündet ist und ob dies schon zu Knochenschwund geführt hat. Mithilfe der Röntgenbilder lassen sich auch mögliche Ablagerungen unter dem Zahnfleisch erkennen sowie überstehende Kronenränder. Auch zur Beurteilung, welche Therapie eingesetzt wird oder ob der Zahn eventuell sogar entfernt werden muss, ist das Röntgenbild notwendig.
Gibt es einen typischen Verlauf bei der Parodontitis?
Parodontitis ist eine hartnäckige Erkrankung, die gern zurückkehrt und erneut Schäden im Gewebe des Betroffenen verursacht. Wenn eine Parodontitis frühzeitig erkannt und behandelt wird, ist die Prognose günstig. Je länger sie aber unbemerkt und unbehandelt bleibt, desto höher ist das Risiko eines Zahnverlustes und anderer Folgeschäden. Eine optimale Mundhygiene und Zahnpflege können ein Wiederauftreten der Parodontitis verhindern sowie natürlich regelmäßige Kontrollen beim Zahnarzt.
Was kann man gegen Parodontitis tun?
Bei der Parodontitis reicht es nicht, nur die Beschwerden zu lindern, sondern es müssen auch die Auslöser eliminiert werden. Folglich gliedert sich die Therapie in folgende Schritte:
1. Prävention: Informations-, Motivations- und Hygienephase
2. Parodontitisbehandlung: antiinfektiöse Behandlung, d. h. Tiefenreinigung aller Wurzel- und Zahnoberflächen
3. Nachsorge- und Kontrollphase
Wie lässt sich Parodontitis konkret behandeln?
Als Erstes werden die Zahnfleischtaschen gereinigt. Im Anschluss werden die Bakterien entfernt, die sich auf dem „Biofilm“ befinden, indem man eine Wurzelglättung, also eine Tiefenreinigung vornimmt. Diese Tiefenreinigung geschieht unter örtlicher Betäubung und beinhaltet das Reinigen, Glätten und Polieren der Wurzel, sodass Zahnbelag an der glatten Oberfläche schlechter haften kann.
Eine im Anschluss folgende laser- oder fotodynamische Therapie kann eine zusätzliche desinfizierende Wirkung erzielen, die sogar kleinste Bakterienreste eliminiert. So kann eine erneute Entzündung hinausgezögert oder sogar beseitigt werden. Sind die Bakterien besonders aggressiv, können Heilmittel eingesetzt werden. Diese werden in Tablettenform verabreicht oder lokal eingesetzt.
Welche Vorbeugenden Maßnahmen kann man treffen?
Einen guten Schutz vor Parodontitis bietet eine konsequente und ordentliche Mundhygiene. Zusätzlich sollten Zahnstein und Plaque regelmäßig durch eine professionelle Zahnreinigung entfernt werden. Auch haben Nicht-Raucher ein wesentlich geringeres Risiko, an Parodontitis zu erkranken.
Welchen Einfluss hat eine Parodontitis auf die allgemeine Gesundheit und den restlichen Körper?
Durch die „nicht sichtbare“ und anfangs kaum spürbare Wunde zwischen Zahnfleisch und Zahnwurzel gelangen oft über einen längeren Zeitraum Bakterien in die Blutbahn und können weitere Entzündungen auch fernab der Mundhöhle erzeugen.
Verschiedene Studien haben gezeigt, dass das Risiko eines Herzinfarkts und Schlaganfalls bei Parodontitis-Patienten bedeutend höher ist. Auch negative Auswirkungen auf den Verlauf von Schwangerschaften, Diabetes und Atemwegserkrankungen konnten nachgewiesen werden.